Wir träumen davom, attraktiv, erfolgreich und beliebt zu sein. Aber die Realität ist oft eine ganz andere. Häufig fühlen wir uns unterlegen, nicht wahrgenommen, abgelehnt. Gerade nach Trennungen fühlen wir uns oft sehr schlecht und gekränkt. Aber warum ist das so? Einen Blick auf das Thema Selbstwert zu werfen, kann sehr erhellend sein. Denn unser Selbstwertgefühl spielt eine entscheidende Rolle in unserem Leben und in unseren Beziehungen. Es kann positiv oder negativ sein und bestimmt maßgeblich unser Selbstbild. Welches Bild habe ich von mir, wie ist mein Blick auf mich selber? Ist er liebevoll und zugewandt oder kritisierend und abwertend? Unser Selbstwert ist ein Gradmesser dafür, wie wir uns im Leben positionieren und wie wir mit Herausforderungen umgehen. Doch wie entsteht Selbstwert und was kannst du tun, um ihn zu stärken?
Frühe Erfahrungen – Unser Selbstwerterleben wird durch die Elternbeziehung bestimmt
Selbstvertrauen kommt nicht aus heiterem Himmel. Entscheidend sind bereits die ersten Lebensjahre. Erfährt ein Baby Vertrauen und Sicherheit von seinen Eltern, wird es liebevoll und sicher versorgt, dann entsteht ein Fundament des Vertrauens und der emotionalen Sicherheit. Kinder, die sich sicher an ihre Eltern binden können, entwickeln ein gesundes Selbstvertrauen. Gleichzeitig wird aber auch das Selbstwertgefühl des Kindes beeinflusst. Wenn die Eltern einfühlsam und unterstützend sind, fühlt sich das Kind wertgeschätzt und liebenswert. Das wiederum trägt dazu bei, dass das Kind ein positives Selbstbild entwickelt.
„Wenn die Bedürfnisse eines kleinen Kindes erfüllt werden, wenn es geliebt, gehört und berührt wird, dann entsteht ein ganz basales Grundvertrauen: Ich kann der Welt vertrauen, ich bin richtig.“
Eltern verhelfen ihren Kindern also dann am besten zu einem guten Selbstwertgefühl, wenn sie ihnen zeigen, dass sie sie bedingungslos lieben. Das Kind spürt dann: Ich bin in Ordnung so, wie ich bin. Diese Grundannahme bedingt die Fähigkeit zur Selbstakzeptanz im späteren Leben. Ein sicheres und unterstützendes Bindungsumfeld fördert also die Entwicklung eines positiven Selbstbildes und stärkt von Anfang an das Selbstvertrauen.
Hilfe, andere denken schlecht über mich!
Wahrscheinlich kennst du dieses Gefühl nur zu gut. Vor allem wenn du ein Mensch bist, dessen Selbstbild eher negativ-kritisch ist. Doch jetzt einmal ganz direkt gefragt: „Selbst wenn es so wäre, was sagt es über dich und deinen Wert aus?“ Die Antwort lautet: Gar nichts! Das, was du denkst, ist lediglich eine Annahme. Tatsächlich handelt es sich um eine Projektion. Das Gefühl „Ich bin nicht in Ordnung“ projizieren wir in dem Moment in die Köpfe unseres Gegenüber, z.B. des Chefs oder des Partners. Die Psychologin Stefanie Stahl beschreibt dieses Phänomen des gespiegelten Selbstwertempfindens sehr gut. Nicht mein Gegenüber hat eine schlechte Meinung von mir, sondern es ist meine eigene negative Selbstbewertung, die sich bemerkbar macht. Und das sagt erst einmal gar nichts über mein Gegenüber – und wie er tatsächlich zu mir steht – aus. Es sagt aber etwas über den Umgang mit mir selbst aus, der in dem Moment alles andere als wertschätzend ist. Nur ich bewerte die Situation in diesem Moment negativ. Ich habe das Gefühl, jetzt und hier nicht zu genügen.
„Wer sich achtet und auf sich und seine Fähigkeiten vertraut, hat ein gutes Selbstwertgefühl.“
Wir interpretieren die Welt permanent durch die Brille unseres eigenen Selbstwertgefühls. Und dieser Selbstwertspiegel, in dem wir uns betrachten, hat häufig seine Ursache bereits in unserem Kindheitserleben, wie oben beschrieben. Aber auch spätere Ereignisse in der Schule, vor allem in Zeiten der Pubertät, können unser Selbstbewusstsein noch sehr in Mitleidenschaft ziehen. Mobbing, Kritik an unserem Körper oder unserem Gewicht können zu großen emotionalen Lasten werden, auch wenn wir längst erwachsen sind. Das Gefühl von Kränkung und Verunsicherung sitzt so tief, dass es sich auch viele Jahre und Jahrzehnte später noch in Form einer „automatischen Spiegelung“ zu Wort meldet. Versuche in dem Moment bewusst einen inneren Abstand herzustellen und nimm unbedingt die Bewertung, bzw. Abwertung deiner Person raus. So stärkst du dein Selbstvertrauen!
Die Aktzeptanz unserer Schwächen stärkt das Selbstwertgefühl
Niemand ist perfekt, und das ist völlig in Ordnung. Die Schweizer Psychoanalytikerin Verena Kast betont die Bedeutung der Selbstakzeptanz als Grundlage für einen guten Selbstwert. Doch was bedeutet Selbstakzeptanz? Es bedeutet, sich in seiner Ganzheit anzunehmen, mit all seinen Stärken, aber auch mit all unseren Schwächen. Natürlich wollen wir, dass vor allem unsere „hellen“, freundlichen Seiten von anderen wahrgenommen werden, so gerne wollen wir die perfekte Version unseres Selbst nach außen darstellen. Und so zeigen wir gerne Freude, Begeisterung, Empathie – das sind die Emotionen, von denen wir glauben, dass sie für andere Menschen attraktiv sind.
„Akzeptiere dich in deiner Ganzheit - mit deinen Stärken und Schwächen.“
Aber was ist mit unseren „dunklen“ Seiten, die wir ja auch in uns tragen? Was ist mit Angst, Trauer, Wut, Ungeduld – unsere „Schattengefühle, die wir häufig verdecken? In unserer Hochglanzgesellschaft, in der alle bestens performen, scheinbar immer gut gelaunt und erfolgreich sind, zeigen wir sie lieber nicht. Kast arbeitet mit dem Begriff der Souveränität. Laut der Psychoanalytikerin sind wir dann wahrhaft souverän, wenn wir alle Seiten unserer Persönlichkeit annehmen. „Wenn wir lernen, auch unseren Schatten zu akzeptieren, macht uns das selbstsicherer und authentischer. Ich schließe Frieden mit mir selbst, akzeptiere meine Begrenztheit“, so Kast. Die kompromisslose Annahme und Wertschätzung der eigenen Person ist die Basis für eine positive Beziehung zu sich selbst und anderen. Indem man sich selbst annimmt, liebt und authentisch lebt, legt man den Grundstein für ein starkes und gesundes Selbstvertrauen.
Selbstmitgefühl – die eigene Unvollkommenheit umarmen
Wir sind oft unsere härtesten Kritiker. Gelingt uns etwas nicht, melden sich schnell innere negative Stimmen zu Wort, die uns sagen, dass wir nicht genügen. Versuche in solchen Situationen, Selbstmitgefühl zu entwickeln. Selbstmitgefühl ist eine freundliche, uns selbst zugewandte Haltung, die uns in solchen Momenten helfen kann. Selbstmitgefühl ist übrigens nicht zu vergleichen mit Selbstmitleid, das eher destruktiv und nicht lösungsorientiert ist. Kristin Neff, Professorin für Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung an der University of Texas, gilt als die Begründerin der Selbstmitgefühlsforschung. Ihre Definition lautet: „Selbstmitgefühl ist ein nach innen gerichtetes Mitgefühl. Es bedeutet, sich selbst die die Freundlichkeit und Fürsorge entgegenzubringen, die wir unserem besten Freund oder unserer besten Freundin schenken.“
„Aktzeptiere deine eigene Unvollkommenheit. Das erfordert Mut!“
Ein Beispiel: Stell dir vor, du hast Im Job einen Auftrag nicht gut erfüllt. Anstatt uns selbst zu trösten und innerlich in den Arm zu nehmen, neigen wir dazu, uns in dem Moment zu beschuldigen. „Du hättest dir halt noch mehr Mühe geben können, dich noch etwas mehr anstrengen müssen, dann hätte es schon geklappt…“ Unser negatives Selbstwertgefühl wird sofort getriggert, die Abwärtsspirale der inneren Abwertung läuft erbarmungslos. Was jetzt hilft? Innere Distanz. Distanziere dich von deinen eigenen Emotionen und stell dir stattdessen vor, eine gute Freundin hätte diesen Job vermasselt. Wie würdest du mir ihr reden? Vermutlich wärst du liebevoll zugewandt und tröstend. Wie wohltuend für dein Gegenüber! Und genauso annehmend und freundlich solltest du in so einem Moment mit dir selbst umgehen.
Und noch etwas, ein selbstmitfühlender, aufmerksamer Umgang mit uns selbst stärkt nicht nur das eigene Selbstwertgefühl, sondern es führt auch dazu, dass wir mit anderen liebevoller und aufmerksamer umgehen. Selbstmitgefühl heißt nicht nur sich selbst in seiner Schwäche und Verletzlichkeit anzunehmen, sondern auch, unser Gegenüber empathisch und aufmerksam zu betrachten.
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