Psychologische Sicherheit in Beziehungen: Wie wir uns emotional wirklich nah sein können

paar-innig-vertraut

Psychologische Sicherheit in Beziehungen – das klingt erst einmal abstrakt. Doch in Wahrheit ist es das Fundament, auf dem echte Nähe entsteht. Es geht nicht um romantische Gesten, sondern um die tiefe Gewissheit, angenommen zu sein – mit allem, was uns bewegt, ohne Angst vor Ablehnung oder Verurteilung.

 

Warum fühlen wir uns bei manchen Menschen sofort verstanden, während wir uns in anderen Beziehungen ständig zurückhalten? Was brauchen wir , um in einer Partnerschaft wirklich offen sein zu können, ohne Angst vor Kritik oder Zurückweisung? In diesem Artikel erfährst du, warum psychologische Sicherheit für eine erfüllte Beziehung unerlässlich ist – und wie du sie aktiv fördern kannst.

Emotionale Sicherheit entsteht, wenn wir ohne Angst wir selbst sein können

Stellen dir vor, du sitzt mit deiner besten Freundin in einem Café. Du erzählst  von einem schwierigen Moment, den du neulich erlebt hast, und statt Kritik oder Ratschlägen hörst du einfach nur ein verständnisvolles: „Das klingt wirklich hart. Wie geht es dir damit?“ Dieses Gefühl, gehört und verstanden zu werden, ist der Kern psychologischer Sicherheit – und genau das brauchen wir auch in unseren Paarbeziehungen.

 

Nehmen wir Clara, eine 38-jährige Lehrerin, die in meine Praxis kam, weil sie sich in ihrer Beziehung zunehmend unsicher fühlte. „Ich habe das Gefühl, ständig aufpassen zu müssen, was ich sage“, erzählte sie. „Wenn ich Stefan von einem Problem erzähle, reagiert er oft genervt oder sagt, ich übertreibe.“ Clara liebte Stefan, aber das fehlende Verständnis begann, ihre Beziehung zu belasten. Sie fragte sich, ob sie einfach zu sensibel sei oder ob tatsächlich etwas in ihrer Beziehung nicht stimmte.

 

Claras Fall ist nicht ungewöhnlich. Viele Menschen fühlen sich emotional nicht sicher in ihrer Partnerschaft. Sie haben Angst davor, kritisiert oder zurückgewiesen zu werden, wenn sie sich öffnen. Und genau hier setzt das Konzept der psychologischen Sicherheit an.

Psychologische Sicherheit bedeutet, keine Angst vor Verurteilung zu haben

Psychologische Sicherheit – dieser Begriff wurde durch die Harvard-Professorin Amy Edmondson bekannt. Edmondson, die über 20 Jahre lang an diesem Thema geforscht hat, fand heraus, dass in Unternehmen und Teams, in denen psychologische Sicherheit herrscht, in der Regel ein sehr gutes, produktives Arbeitsklima herrscht. Im Kern beschreibt Psychologische Sicherheit das Vertrauen darauf, dass wir ohne Angst vor negativen Konsequenzen wir selbst sein können. In einem angstfreien Arbeitsumfeld können Mitarbeiter*innen ihre Ideen und Vorstellungen offen teilen, ohne Angst vor Verurteilung haben zu müssen. Edmondson kam in ihren Forschungen zu dem Ergebnis, dass Menschen, die sich emotional sicher und angstfrei fühlen, sehr viel leistungsfähiger und innovativer sind.

Auch im Privaten brauchen wir emotionale Sicherheit

Edmondson macht mit ihrer Arbeit deutlich, dass es auch im Arbeitskontext um Beziehungen geht – um Arbeitsbeziehungen. Hier menschelt es ganz gewaltig; wir fühlen uns wie auch in unseren privaten Beziehungen sicher oder unsicher, gesehen oder nicht gesehen, wertgeschätzt oder übersehen. Das Prinzip der Psychologischen Sicherheit lässt sich mühelos auf unsere Partnerschaften übertragen – den Ort, an dem wir am intimsten und deshalb sehr ungeschützt sind. Dem Gedanken Edmondsons folgend bedeutet Psychologische Sicherheit in unserer Paarbeziehung: Ich kann meine Sorgen, Schwächen und Wünsche teilen, ohne Angst haben zu müssen, von meinem Partner ausgelacht oder verurteilt zu werden. In dem Moment, in dem wir uns emotional sicher fühlen, baut sich Vertrauen auf. Wir sind unserem Partner ganz nah – eine gute Basis für eine gesunde und stabile Beziehung.

„Die Sprache, die wir wählen, kann Brücken bauen oder Mauern errichten“ - M.  Rosenberg

Sich dem Liebsten öffnen klingt einfach, und doch gibt es viele Gründe, warum wir uns dennoch zurückhalten, vieles von uns nicht preisgeben können oder wollen. Oft gibt es in Beziehungen Konfliktmuster, die sich im Laufe der Zeit verfestigen. Viele Paare geraten in einer Streitsituation in einen Kreislauf aus Vorwürfen und Rechtfertigungen, der wenig Raum für echte Kommunikation zulässt. Ein Wort gibt dann das andere, keiner lässt den anderen ausreden, jeder fühlt sich von dem anderen kritisiert – ein Teufelskreis, der Sicherheit und Vertrauen in der Paarbeziehung immer weiter untergräbt.

 

„Nie“ und „immer“ – diese beiden kleinen Worte sind sehr absolut. Einmal ausgesprochen, geht es nur noch um Angriff und Verteidigung. „Nie hörst du mir zu! Immer handelst du so oder so!“ Mit dieser Art der Kommunikation machen wir jeden Raum für Verständigung zu.

Veränderung beginnt mit dem ersten bewussten Schritt

Psychologische Sicherheit in einer Partnerschaft ist kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis bewusster Entscheidungen und Verhaltensweisen. Aktives Zuhören und eine wertschätzende Kommunikation sind dabei entscheidende Faktoren.

Mal ehrlich, wie oft hören wir unserem Partner wirklich zu, ohne dabei gedanklich schon die nächste Antwort zu formulieren? Carl Rogers, ein Pionier der humanistischen Psychologie und Begründer der Personenzentrierten Gesprächsführung, hat sehr treffend formuliert: „Wenn Dir jemand wirklich zuhört, ohne dich zu verurteilen, ohne dass er den Versuch macht, die Verantwortung für Dich zu übernehmen oder Dich nach seinen Mustern zu formen – dann fühlt sich das verdammt gut an.“

 

In der Arbeit mit Clara lag ein Schwerpunkt darauf, ihr und Stefan dabei zu helfen, eine neue, wertschätzende Art der Kommunikation zu entwickeln. In vielen Gesprächen übten sie, empathischer miteinander zu kommunizieren. Was einfach klingt, ist in der Praxis oft gar nicht so einfach. Beide mussten lernen, sich in die Gefühlswelt des Gegenübers wirklich hineinzuversetzen, in Ruhe zuzuhören, nicht spontan zu reagieren oder gar vorschnell zu (ver)urteilen.

 

Clara wurde klar, dass sie Stefan gegenüber sehr schnell Vorwürfe formulierte und damit seine Gegenwehr provozierte. Die Lösung für Clara: Sie musste lernen, ihre Bedürfnisse klar zu äußern. Stefan wiederum übte, bewusst zuzuhören und auf sie einzugehen. „Es war nicht leicht“, gab Clara später zu. „Aber die Mühe lohnt sich. Ich habe das Gefühl, dass wir uns wieder besser verstehen.“

Unser Selbstbild  ist oft eine Hürde auf dem Weg zu mehr emotionaler Sicherheit

Doch manchmal liegen die Gründe, warum wir uns in unserer Beziehung nicht sicher fühlen, noch viel tiefer – in unserer Vergangenheit, in unserem familiären Beziehungs-Urschlamm.  Oft sind es  sehr alte Verletzungen, die unbewusst in die Beziehung getragen werden. Kritische Bemerkungen, fehlende Aufmerksamkeit oder traumatische Erlebnisse aus früheren Beziehungen können das Vertrauen nachhaltig erschüttern.

 

Clara berichtete beispielsweise, dass ihre Eltern sie oft als „überempfindlich“ bezeichnet hatten. Sie hat in ihrer Kindheit ein negatives Selbstbild entwickelt. Bis heute geht sie davon aus, dass andere Menschen sie kritisch wahrnehmen. Unbewusst unterstellt sie anderen, dass sie genauso  über sie denken, wie sie selbst.  Diese tief sitzende Erfahrung prägte ihre Angst, von Stefan ebenfalls nicht ernst genommen zu werden. Diese fest in uns verankerten Glaubenssätze können unbewusst das Verhalten in unserer Paarbeziehung beeinflussen.  

Alte Muster und Verletzung können unsere Paarbeziehung stark belasten

Auch kulturelle und familiäre Prägungen spielen eine große Rolle, wenn wir unserem eigenen Verhalten auf die Spur kommen wollen. Wie in unserer Ursprungsfamilie mit Konflikten und Emotionen umgegangen wurde, beeinflusst stark, wie wir uns in Partnerschaften verhalten. Hat jemand gelernt, dass Schwäche zeigen unerwünscht ist, fällt es dieser Person häufig schwer, sich verletzlich zu machen – ein zentraler Bestandteil psychologischer Sicherheit. In Claras Familie wurden Emotionen häufig heruntergespielt. „Reiß dich mal zusammen“ war ein Satz, den sie oft hörte. Dieser Satz hallte auch in ihrer Beziehung mit Stefan nach. Alten Mustern folgend zog sich Clara in ihr Schneckenhaus zurück, wenn Stefan emotional aufgebracht reagierte. Sie verstummte im wahrsten Sinne des Wortes. Doch diese Sprachlosigkeit verstärkte die Distanz zwischen ihnen, obwohl beide eigentlich Nähe suchten.

Psychologische Sicherheit ist keine Zauberei, sondern eine Entscheidung, die jeden Tag aufs Neue getroffen wird

Eine Beziehung, die auf psychologischer Sicherheit basiert, ist nicht nur harmonischer, sondern auch belastbarer. Gemeinsame Rituale können helfen, die Verbindung zu stärken. Clara und Stefan haben sich entschieden, ein wöchentliches Check-in-Gespräch zu führen. Jeder darf fünf Minuten erzählen, was ihn bewegt, ohne unterbrochen zu werden. „Das hat uns unglaublich geholfen“, sagte Clara. „Ich fühle mich jetzt viel sicherer. Ich habe keine Angst mehr, meine Gedanken und Sorge mit Stefan zu teilen, weil ich weiß, dass Stefan mich ernst nimmt und versucht, mich wirklich zu verstehen.“


Kommentar schreiben

Kommentare: 0

Kontaktdaten

Herzkümmerei

Heike Klopsch

Olendörp 41
22335 Hamburg

 

Telefon  0162 1005100

E-Mail  Heike.Klopsch@Herzkuemmerei.de

 

Termine nur nach Vereinbarung!

Kontaktformular

Hinweis: Bitte die mit * gekennzeichneten Felder ausfüllen.

Navi